Die Fischer gegen das Stahlwerk von ThyssenKrupp

Von Brasilien nach Berlin: Der Besuch von Luis Carlos Oliveira, Fischer, und Karina Kato, Menschenrechtsaktivistin, Rio de Janeiro.

Im Rahmen des entwicklungspolitischen Schwerpunktes „Deutsche Konzerne und ihre Investitionen und Aktivitäten im Ausland“ will die Fraktion DIE LINKE in ihrer parlamentarischen Arbeit die Unternehmenstätigkeit deutscher Konzerne auf ihre Übereinstimmung mit allgemeinen Standards im sozialen, ökologischen und menschenrechtlichen Bereich unter die Lupe nehmen.

Deutsche Unternehmen investieren in immer größerem Umfang im Ausland – und dabei immer häufiger auch in Schwellen- und Entwicklungsländern. Zunächst geht es oft um die hohen Rohstoffvorkommen, die sich in Entwicklungsländern kostengünstiger abbauen und verarbeiten lassen, weil die Löhne niedriger und die Umweltstandards geringer sind. Oft gibt es zudem Steuererleichterungen der Regierungen zugunsten der Konzerne.


Ein Beispiel für eine solche Auslandsinvestition mit gravierenden negativen Folgen für die lokale Bevölkerung ist der Bau eines Stahlwerkes durch ThyssenKrupp und den Brasilianischen Konzern Vale in Sepetiba, im Bundesstaat Rio de Janeiro. Bereits in der der 16. Wahlperiode hat die Linksfraktion eine Kleine Anfrage dazu eingereicht (Drucksache 16/11358, vom 11.12.2008).


Das Stahlwerk in Sepetiba. Foto: FDCL

Vom 22. Januar bis zum 27. Januar waren auf Einladung der Fraktion DIE LINKE zwei VertreterInnen der brasilianischen Zivilgesellschaft zu Besuch in Berlin und im Bundestag, um von der Situation der Fischer in Sepetiba im Staat Rio de Janeiro zu berichten. Die beiden Gäste aus Brasilien waren Luis Carlos da Silva Oliveira von der Fischervereinigung APESCARI, Region Canto dos Rios, stellvertretend für 8070 Fischerfamilien aus der Region, die sich seit Jahren gegen das Stahlwerk wehren, und Karina Kato, Menschenrechtsaktivistin von der Nichtregierungsorganisation PACS aus Rio de Janeiro.

Geboren und aufgewachsen ist Oliveira in Sepetiba, auch seine Familie und Freunde leben dort. Nun muss er seit fast einem Jahr aufgrund von Morddrohungen unter dem Schutz des Menschenrechtschutzprogramms der brasilianischen Regierung in anderen brasilianischen Bundesstaaten, fernab seiner Heimat, leben. Karina Kato arbeitet bei der Organisation PACS (Instituto Políticas Alternativas para o Cone Sul).

22. Januar: Öffentliche Veranstaltung im Mehringhof

Den Auftakt des Besuchs machte eine öffentliche Veranstaltung im Mehringhof, die mit der Unterstützung vieler Organisationen aus Berlin organisiert wurde, u. a. mit dem Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika e.V. (FDCL), der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Kooperation Brasilien (KoBra), Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt e.V. (ASW), FIAN Berlin und Rettet den Regenwald e.V.. Die Veranstaltung wurde von Heike Hänsel, entwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion, moderiert, auf dem Podium sprachen Niema Movassat, Mitglied im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (AWZ) für DIE LINKE, Luis Carlos Oliveira und Karina Kato.

Niema Movassat warf zu Beginn die Frage auf: Was für eine Entwicklungspolitik will DIE LINKE; was wollen wir anders machen? Für DIE LINKE, so führte Niema Movassat aus, bedeutet Entwicklung und Entwicklungspolitik wesentlich mehr als nur rein wirtschaftliche Faktoren. DIE LINKE will die Interessen der Menschen im Süden geltend machen, die durch Handelsabkommen und durch Unternehmenstätigkeit deutscher Konzerne geschädigt werden. DIE LINKE, so Movassat, fordert deshalb nicht nur von den deutschen und europäischen Unternehmen, dass sie ökologische Kriterien und soziale Menschenrechte bei ihren Auslandsinvestitionen achten. Sie fordert vor allem verbindliche Standards, die eingeklagt werden können und deren Verletzung sanktioniert werden kann.

Luis Carlos Oliveira war tags zuvor noch auf der Vollversammlung der ThyssenKrupp AG aufgetreten. Die Kritischen Aktionäre hatten einen Antrag auf Nichtentlastung des ThysssenKrupp-Vorstands eingebracht und ihn mit den negativen Begleiterscheinungen beim Stahlwerkbau an der Bucht von Sepetiba begründet. Eine Videoaufnahme von Oliveiras Rede auf der Hauptversammlung gab den Einstieg in seinen Bericht. Der Fischer schilderte die zunehmend schwierige Lebenssituation der Fischer und der Anwohner der Region Sepetiba. Seit Beginn des Stahlwerkbaus im Jahr 2006 wurden laut Oliveira wertvolle geschützte Mangrovenwälder zerstört, das Wasser durch Schwermetalle verschmutzt und die Fischbestände dezimiert. Den Fischern wurden die Wege zu ihren Fischgründen abgeschnitten, sie wurden ihrer Existenzgrundlagen beraubt. Diejenigen unter ihnen, die dagegen protestierten, wurden bedroht. Im Fall von Luis Carlos Oliveira führten Morddrohungen von einem Milizen, der – wie sich später herausstellte – im Wachschutz von ThyssenKrupp angestellt war, zu seiner Flucht aus seinem Heimatort und zur Aufnahme in das brasilianische Menschenrechtsschutzprogramm. Er fordert vor allem die Entschädigung der Fischer für den Verlust ihrer Einkommensmöglichkeiten und die Wiederherstellung der zerstörten Umwelt.

Wie Karina Kato berichtete, reagierten die Mehrzahl der Aktionäre und der Vorstand von ThyssenKrupp zurückweisend auf den Auftritt von Oliveira auf der Vollversammlung. Die Presse hingegen bot reichlich positive Resonanz. Kato freute sich über diese erste Möglichkeit, überhaupt einmal mit Konzernvertretern direkt zu sprechen. In Brasilien hatten sie bislang niemals Antworten auf ihre vielen Anfragen und weder Einsicht in Studien, noch Auskunft über bereits erfolgte Entschädigungszahlungen erhalten.
In der regen Diskussion mit dem Podium und den 35 TeilnehmerInnen, die sich an die Berichte von Oliveira und Kato anschloss, kam die Empörung über das verantwortungslose Handeln des Konzerns und das Stillschweigen der Regierung oftmals deutlich zum Ausdruck. Die Solidarität und das Mitgefühl mit der Situation der Fischer in Sepetiba im Allgemeinen und der derzeitig schlimmen Situation von Luis Carlos Oliveira im Besonderen zeigte sich dann auch in der spontan initiierten Sammlung von Unterstützungsgeldern, die Luis Carlos am gleichen Abend übergeben wurden.
Resumen

Der Besuch von Luis Carlos Oliveira und Karina Kato ermöglichte einen vertieften Informationsaustausch und war in diesem Sinne für die Arbeit der Fraktion wichtig. Durch die verschiedenen Veranstaltungen wurde die Öffentlichkeit weiter sensibilisiert für die Folgen der wirtschaftlichen Aktivitäten und unseres Konsums in anderen Ländern wie Brasilien. Des Weiteren wurde ein erster Kontakt zu Vertretern des Konzerns ThyssenKrupp in Deutschland hergestellt, der hoffentlich zu einer erhöhten Transparenz und zum Austausch zwischen dem Konzern in Brasilien und den Fischern führen wird und in der Zukunft zu einer angemessenen Entschädigung und Reparaturen des zerstörten Ökosystems. Im Parlament wird die Linksfraktion weiterhin Stimmen des Südens hörbar machen und sich in diesem Fall sowie Weiteren mit den Betroffenen solidarisch zeigen und sie aktiv in ihrer parlamentarischen Arbeit unterstützen.


Protestmarsch in Sepetiba. Foto: Fabio Caffe

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