Lateinamerika-Konzept des BMZ wird der Region nicht helfen

„Das neue Lateinamerika-Konzept von Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) ist das immer gleiche Lateinamerika-Konzept jeder Bundesregierung. Die Lateinamerika-Strategie dient wirtschaftlichen Interessen wie den Zugang zu Rohstoffen und der Öffnung der Märkte und trägt weder zur nachhaltigen Armutsbekämpfung noch zum Schutz der Menschenrechte bei“, so Heike Hänsel, entwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag, anlässlich der Vorstellung der neuen Lateinamerika-Strategie des Entwicklungsministers. Das Entwicklungsministerium (BMZ) unter Müllers Leitung setze fast ausschließlich auf neoliberale Regierungen, wie zum Beispiel Mexiko, Kolumbien und Peru, deren Länder durch massive Menschenrechtsverletzungen und hohe Straflosigkeit gekennzeichnet sind. Viele der Menschenrechtsverletzungen würden gerade durch Rohstoffabbau und Landkonflikte verstärkt. Hänsel weiter:

„Aus dem vorliegenden Konzept wird nicht deutlich, ob das Entwicklungsministerium etwas zur Entwicklung deutscher Unternehmen oder lateinamerikanischer Gesellschaften beitragen will. 50 geplante öffentlich-private Partnerschaften in Bereichen Gesundheit, Bildung und Ernährungssicherheit verheißen nichts Gutes und leisten der Privatisierung der Daseinsvorsorge Vorschub. Die Kopplung von Hilfsgeldern mit Mitteln des freien Kapitalmarktes sowie die marktnahe Gestaltung der Konditionen fokussiert weniger auf Armutsbekämpfung denn auf die Stärkung und Kaufkraft von klassischen Mittelschichtsländern. Der ausgedehnte Fokus auf Wald- und Biodiversitätsschutz läuft vor allem auf den umstrittenen REDD-Mechanismus hinaus und wird damit zu einem gefährlichen Nullsummenspiel.

Es gehört zum entwicklungspolitischen Konsens, dass die Länder des Südens befähigt werden, eigene wirtschaftliche Strukturen aufzubauen. Dazu trägt die deutsche Lateinamerika-Politik derzeit wenig bei. Gerade in Mexiko zum Beispiel wird durch deutsche Entwicklungspolitik die Ansiedelung von Automobil- sowie Luft-und Raumfahrtindustrie und deren Zulieferbetriebe vorangetrieben. Die Wertschöpfung findet in den deutschen Unternehmen statt. Was das mit Entwicklungszusammenarbeit zu tun hat, erschließt sich mir nicht.

Rohstoffpartnerschaften mit Peru, Freihandelsabkommen mit Kolumbien, Peru und Zentralamerika heizen den Rohstoffabbau weiter an und werden von Menschenrechtsorganisationen mit Sorge verfolgt, weil diese Industrie vor Ort für Vertreibungen und Gewalt sorgt. Vor diesem Hintergrund klingt es zynisch, wenn es im vorliegenden Lateinamerika-Papier des Entwicklungsministeriums heißt, das rohstoffbasierte Wachstumsmodell stoße an seine Grenzen und wenn die hohe Gewaltquote in Lateinamerika beklagt wird. Antworten auf die schreiende soziale Ungleichheit und starke Landkonzentration in den Händen kleiner Oligarchien gibt die Bundesregierung nicht, obwohl gerade die soziale Ungleichheit eine der Hauptursachen für die Gewalt in Lateinamerika ist.

Die sozialpolitischen Erfolge in Bolivien, Ecuador, Kuba oder Venezuela werden vom deutschen Entwicklungsministerium mit keinem Wort erwähnt. Tatsache ist: Mehrere dieser Staaten haben binnen weniger Jahre Armut massiv reduziert und etwa den Analphabetismus beseitigt. Da wirkt es schon mehr als skurril, wenn das deutsche Entwicklungsministerium diese Entwicklungen negiert und auch die politischen Zusammenschlüsse wie CELAC, UNASUR und ALBA mit keinem Wort erwähnt. Das Papier des Ministeriums geht damit an der lateinamerikanischen Realität vorbei. Lateinamerika kämpft für eine selbstbestimmte Entwicklung, eigene wirtschaftliche Strukturen, Know-how und gute Bildungssysteme. Vieles davon haben die progressiv regierten Staaten in den vergangenen Jahren erreicht. Das Entwicklungsministeriums will mit seinem Ansatz bestehende wirtschaftliche Abhängigkeiten vertiefen und die Länder des Kontinents spalten.“

Kommentare sind geschlossen.