Wege zu einer Reform der UNO

Rund 100 Gäste auf Abendveranstaltung der Fraktion DIE LINKE zum 70. Jahrestag der Weltorganisation

Oskar Lafontaine und Heike Hänsel, Stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE

Oskar Lafontaine und Heike Hänsel, Stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE

Die Forderung nach einer Reform der Vereinten Nationen stand am Donnerstagabend im Zentrum einer Veranstaltung der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag zum 70. Jahrestag der Weltorganisation. Der Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch erinnerte vor rund 100 Gästen im Jakob-Kaiser-Haus an die Entstehung der UNO „aus den Trümmern eines Weltenbrandes“. Der Zweite Weltkrieg habe 75 Millionen Menschenleben gefordert, davon 28 Millionen auf dem Gebiet der Sowjetunion. Sechs Millionen jüdische Menschen seien ermordet worden. „Der Tag der Gründung der Vereinten Nationen muss daher immer auch ein Tag des Gedenkens sein, der auch hier im Bundestag eine Politik stärkt, die aus der Logik von Krieg und Gewalt ausbricht“, so Bartsch. Die aktuelle Politik und der sogenannte Krieg gegen den Terrorismus entwickelten sich aber in eine andere Richtung. Terroranschläge seien an der Tagesordnung, nicht nur in Paris, sondern auch im Libanon, über dem Sinai und andernorts. Staaten zerbrächen und würden Ausgangspunkte für Terror. „Die Bundesregierung wird der Charta der UNO nicht gerecht, wenn sie diese Dinge übergeht“, sagte Dietmar Bartsch. Der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE plädierte daher für eine Demokratisierung der UNO, statt „elitären Zusammenschlüssen wie der G7 das Feld zu überlassen“.

»Kapitalismus trägt die Flüchtlingsströme in sich wie die Wolke den Regen«

Oskar Lafontaine, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE im saarländischen Landtag, sah die Aufgabe der UNO vor allem im Kampf für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung. „Dieser Kapitalismus trägt die Flüchtlingsströme in sich wie die Wolke den Regen“, sagte er in Anlehnung an ein Zitat des französischen Sozialisten Jean Jaurés. „Wir müssen verstehen, dass es solche Fluchtbewegungen immer wieder geben wird, solange es dieses Wirtschaftssystem gibt“, bekräftigte Lafontaine, der auf die Ausbeutung der Peripherien zugunsten der Industriellen verwies. Die Frage einer gerechten Weltwirtschaftsordnung sei eng mit der Eigentumsfrage verbunden, so Lafontaine, der auf Milliardenvermögen von Unternehmerfamilien auch in Deutschland verwies. „Heute haben Konzerne mitunter mehr Macht als Regierungen“, kritisierte er, um an Initiativen gegen Kartellbildung bei der UNO zu erinnern.

Heiner Flassbeck, Chefökonom a.D. der UN-Konferenz über Handel und Entwicklung (UNCTAD), sah eine Mitschuld an der ungerechten Weltwirtschaftsordnung auch bei den Europäern. „Ein Beispiel dafür ist Deutschland, das, wenn man wirklich alle Beträge zusammenkratzt, gerade einmal auf 0,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Entwicklungszusammenarbeit kommt“, so Flassbeck. Er verwies auf das von der UNO definierte Ziel von 0,7 Prozent. Nach Meinung des Wirtschaftswissenschaftlers krankt das UN-System vor allem auch an der Frontstellung der Industriestaaten gegen die Länder des Südens. „Das war eines der ersten Dinge, die mir aufgefallen sind, als ich nach Genf gekommen bin“, so Flassbeck. So finde sich diese Attitüde auch in der Wirtschafts- und Kreditpolitik wieder: „In Afrika vergeben westliche Banken Kredite mit rund 20 Prozent Zinsen und begründen das dann mit der hohen Ausfallrate“, sagte er: „Aber wie hoch wäre bei uns die Ausfallrate, wenn solche Zinssätze verlangt würden?“ Nötig seien gerade in Entwicklungs- und Schwellenstaaten staatliche Banken, die günstige Kredite vergeben. „Aber das wird oft verhindert, weil es als Eingriff in den angeblich freien Markt gesehen wird“, sagte Flassbeck.

Vor der Geißel des Krieges bewahren

Kubas Botschafter René Juan Mujica Cantelar, der als Vertreter eines Staates des Südens eingeladen war und einen der Gründerstaaten der UNO vertrat, erinnerte an die Grundprinzipien der UN-Charta. „Einige dieser Ziele sind erreicht worden, viele sind aber noch offen“, so Mujica Cantelar, der die Notwendigkeit von Reformen in der Weltorganisation betonte. „Wir plädieren für eine Erweiterung des Weltsicherheitsrates, in den jeweils zwei Vertreter von Afrika, Lateinamerika und Asien aufgenommen werden sollten“, sagte der Diplomat. Im Übrigen sei das Veto-Recht der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates ein „nicht haltbarer Anachronismus“.

Im Schlusswort sprach die Vizevorsitzende der Fraktion DIE LINKE, Heike Hänsel, über die Idee zur Veranstaltung. Ein Grund für die Konferenz sei auch der Umstand gewesen, dass die Bundesregierung zwar einen großen Festakt zum 60. Jahrestag des Eintritts in die Nato organisiert habe, zu dem UNO-Jubiläum aber kaum etwas organisiert wurde. „Dabei ist uns eines klar: Um die UNO zu stärken, müssen wir die Nato überwinden“, so Hänsel unter dem Applaus der Gäste. Man sollte sich heute wieder daran erinnern, warum die UNO-Charta entstanden ist. „Sie sollte eine Antwort auf die Schrecken von zwei Weltkriegen sein und künftige Geschlechter von der Geißel des Krieges bewahren“, erinnerte Hänsel, die auch dem Unterausschuss Vereinte Nationen des Bundestags vorsteht. Deswegen trete DIE LINKE als einzige Fraktion im Bundestag gegen die fortdauernde Militarisierung der Vereinten Nationen ein und fordere ein Ende der völkerrechtswidrigen UN-Mandatierungspraxis für Militäreinsätze durch den Sicherheitsrat. Die Folgen von Kriegen wie in Libyen hätten die Notwendigkeit eines Normenkontrollgerichtes der UNO belegt. „Zur Demokratisierung gehört eben auch, dass solche Entscheidungen der UNO hinterfragt werden können“, schloss Hänsel.

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