Gerechte Politik bedeutet Umverteilung hier und weltweit

„Solide“ scheint das neue Wort für „nicht ausreichend“ zu sein. Wir haben ganz neue Sprachschöpfungen. Hier wurden viele Krokodilstränen über den diesjährigen Entwicklungshaushalt vergossen, auch von Ihnen, Frau Kofler. Aber da muss ich Ihnen allen sagen: Das sind die Folgen der Politik, der Sie alle zugestimmt haben, nämlich unter anderem der Einführung der Schuldenbremse
(Johannes Selle (CDU/CSU): Das bleibt aber vernünftig!)
bei gleichzeitiger Nichterhöhung von Steuern. Das sind die Folgen. Davor haben wir immer gewarnt. Wir haben jetzt nicht genügend Geld für dringende globale Herausforderungen und internationale Verpflichtungen – wegen all der Maßnahmen, denen Sie hier zugestimmt haben. Das zeigt sich leider auch im Entwicklungshaushalt. Das ist eine Folge.
(Johannes Selle (CDU/CSU): Aber das ist doch eine vernünftige Strategie!)
Dadurch sind natürlich auch viele der guten Ankündigungen von Ihnen, Herr Müller, nicht sehr glaubwürdig.
(Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU): Warten wir es doch erst mal ab!)
Wenn man sich anschaut, wie sich der Haushalt gegenüber dem Vorjahr entwickelt, stellt man fest: Es gibt einen Aufwuchs um 147 Millionen Euro. Das ist schon einmal nicht so viel, wie im Koalitionsvertrag festgelegt worden ist. Dadurch erschließt sich sicher auch, warum der Kollege Sascha Raabe sich noch rechtzeitig abgesetzt hat. Ihm schwante wohl schon, was hinten dabei herauskommt.

Wenn man dann auch noch die Klimagelder, die jetzt plötzlich im Entwicklungshaushalt verbucht werden und zum großen Teil eigentlich schon durch Verpflichtungsermächtigungen gebunden sind, abzieht, dann landen wir bei 8 Millionen Euro realem Aufwuchs, und das ist natürlich, gelinde gesagt, eine Schande, eine Schande im Hinblick auf den Entwicklungsanspruch.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Sascha Raabe (SPD))

In Deutschland – das wurde auch schon erwähnt – stagniert dadurch die ODA-Quote, der Anteil der Entwicklungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt, bei 0,37 Prozent.

Die Große Koalition kann daran eigentlich sehen, dass sie mit ihrer Verweigerungspolitik gegenüber Steuererhöhungen – damit schonen Sie nur die Vermögenden in diesem Land – keinen Haushalt aufstellen kann, der den Anforderungen von sozialer Gerechtigkeit, Armutsbekämpfung, Entwicklung, Klimaschutz und Friedenspolitik gerecht werden kann. Ohne weltweite Umverteilung und auch ohne eine Umverteilung in diesem Land können Sie keine gerechte Politik machen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben viele Vorschläge gemacht. Die Finanztransaktionssteuer wurde bereits genannt. Viele kämpfen seit Jahren dafür, dass die Erlöse daraus für die Bekämpfung von Armut eingesetzt werden. Aber da sieht es ganz dunkel aus. Es gibt immer nur Ankündigungen, aber keine Umsetzungen. Unsere weiteren Vorschläge sind: Millionärsteuer, Vermögensteuer, aber auch die konsequente Streichung von Rüstungs- und Militärausgaben. All das wären Möglichkeiten, um deutlich zu machen: Wir wollen Entwicklung finanzieren, und wir können es auch.

(Beifall bei der LINKEN)

Schauen wir uns einmal die Prioritäten in der Politik an. Man kann sich zum Beispiel ausrechnen, dass dieses Jahr allein für die drei neuen Militäreinsätze, die wir in letzter Zeit beschlossen haben, 31 Millionen Euro ausgegeben werden. Das ist fast viermal so viel wie der Aufwuchs von 8 Millionen Euro im Entwicklungsetat.

Im Fall der Ukraine haben Sie ebenfalls schnelle Ankündigungen gemacht, Herr Müller. Hier verdoppeln Sie den Betrag ganz locker von 20 Millionen auf 40 Millionen Euro. Da frage ich mich schon, woher das Geld kommen soll. Hinzu kommt aber noch, dass die Ukraine derzeit von einer nicht demokratisch legitimierten Regierung vertreten wird, an der faschistische Parteien beteiligt sind. Der Agrarminister gehört beispielsweise der Swoboda-Partei an. Da frage ich mich, wie man bei der Zusammensetzung der derzeitigen Regierung in der Ukraine ein derart falsches Signal setzen und damit rechte Parteien hoffähig machen kann. Wir lehnen diese Politik ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Über Syrien und die Vernichtung der C-Waffen haben wir heute debattiert. Ich halte das Entsenden der Fregatte ins Mittelmeer für überflüssig.

(Johannes Selle (CDU/CSU): Warum?)

12 Millionen Euro sollen dafür ausgegeben werden.

(Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU): Sie wollen doch immer Abrüstung!)

Gleichzeitig fehlt beispielsweise viel Geld für das World Food Programme. Sie brauchen für die syrischen Flüchtlinge in diesem Jahr 2 Milliarden Dollar. Sie haben uns im Ausschuss aber mitgeteilt, dass bisher erst 10 Prozent finanziert sind. Ich habe im EZ-Haushalt keine Aufstockung der Mittel für das World Food Programme gesehen. Wir fordern daher eine deutliche Erhöhung der Mittel für die syrischen Flüchtlinge, und wir fordern zudem einen Sondertitel im EZ-Haushalt, um im Rahmen der Übergangshilfe mehr für syrische Flüchtlinge machen zu können.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich komme zum Beitrag für den Europäischen Entwicklungsfonds. Hier kritisieren wir seit Jahren, dass nach wie vor Steuergelder für Militärmissionen der Europäischen Union im Rahmen der sogenannten Afrika-Friedensfazilität verwendet werden. Diese Finanzierung ist übrigens rechtlich eigentlich nicht zulässig; und das Europaparlament kann darüber nicht einmal entscheiden. Deshalb unsere konkrete Forderung an Sie, Herr Müller: Setzen Sie sich dafür ein, dass der Europäische Entwicklungsfonds für rein zivile Zwecke verwendet wird! Wir wollen eine Zivilklausel für die Ausgaben auf europäischer Ebene.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir fordern außerdem seit längerem die Einführung sowohl eines afrikanischen zivilen Friedensdienstes wie auch eines europäischen zivilen Friedensdienstes. Das wären gute Antworten auf die Herausforderungen, vor denen wir stehen. Sie selbst, Herr Müller, sagen, dass wir die Probleme in diesen Ländern militärisch nicht lösen können. Wir brauchen hingegen mehr Instrumente. Die Finanzierung des zivilen Friedensdienstes stagniert leider immer noch. Für ihn wird weniger Geld zur Verfügung gestellt als für die neuen Militäreinsätze, die beschlossen wurden.

Zum Schluss möchte ich noch erwähnen, dass Sie neue Regeln für den Markt gefordert haben, Herr Müller. Aber auch da appelliere ich an Sie: Schauen Sie sich einmal die EU-Handelspolitik an! Wir sehen nicht nur beim EU-USA-Abkommen, sondern auch bei den Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit Afrika Probleme. Mit dieser Handelspolitik wird dereguliert, aber es werden keine neuen Regeln für den Markt eingeführt. Das ist für viele Länder des Südens ein Riesenproblem.

Deadline ist der 1. Oktober. Ab diesem Zeitpunkt müssen etliche afrikanische Länder viel mehr Zölle auf ihre Ausfuhren in die EU zahlen. Wir halten das für sittenwidrig, weil dadurch in diesen Ländern viel zerstört wird. Herr Müller, deshalb fordern wir Sie auf: Setzen Sie sich für einen Stopp dieser Wirtschaftspartnerschaftsabkommen ein! Dann können Sie die Politik, die Sie hier ankündigen, auch umsetzen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

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