Europa darf nicht zum atomaren Schlachtfeld werden

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor 30 Jahren einigten sich die USA und die Sowjetunion auf ein weitreichendes Abrüstungsabkommen, den sogenannten INF-Vertrag. Das war ein entscheidender Beitrag zur europäischen Sicherheit. Praktisch alle landgestützten Mittelstreckenraketen wurden zerstört, auch die US-Pershing-Raketen, gegen die viele von uns damals demonstriert haben, zum Beispiel in Mutlangen in Baden-Württemberg.
(Beifall bei der LINKEN)

Das fand in einem Klima des Vertrauens und der Verständigung in Europa statt. Deswegen, Herr Wadephul, muss ich sagen: Wir brauchen keine neue Kalte-Krieg-Rhetorik und Abschreckung, sondern wir brauchen wieder ein Klima des Vertrauens sowie Maßnahmen, die zu mehr Verständigung führen, um zu neuen Abrüstungsinitiativen zu kommen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte daran erinnern: Damals wurde über die Idee eines gemeinsamen Hauses Europa gesprochen. Das stand auf der Tagesordnung. Davon ist heute leider nichts mehr zu hören; denn während sich der Warschauer Pakt auflöste, blieb die NATO als Militärbündnis bestehen. Das ist ein historischer Fehler. Die NATO ist ein Relikt des Kalten Krieges.
(Beifall bei der LINKEN)

Die Linke setzt sich dafür ein, dass die NATO endlich ebenfalls aufgelöst wird und Deutschland aus den militärischen Strukturen der NATO austritt.
(Beifall bei der LINKEN – Dr. Marco Buschmann (FDP): Protest!)

Wir wollen eine europäische Sicherheitsstruktur. Wir haben die NATO-Osterweiterung erlebt, die mittlerweile bis zur Westgrenze Russlands vorgerückt ist. Die NATO hat sich zu einem weltweiten Kriegsbündnis entwickelt, das militärisch interveniert. Von Abrüstung im nuklearen oder konventionellen Bereich ist überhaupt keine Rede mehr. Die Mitgliedstaaten haben sich jetzt verpflichtet, ihre Rüstungsausgaben massiv zu steigern, auf 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Für Deutschland wären das Rüstungsausgaben in Höhe von bis zu 70 Milliarden Euro. Wir fordern, dass dieser Rüstungswahnsinn gestoppt wird.
(Beifall bei der LINKEN)

Auch nuklear soll aufgerüstet werden durch die Modernisierung der in Deutschland gelagerten US-Atomwaffen und die Entwicklung neuer kleiner Atomwaffen, sogenannte Mini-Nukes, die in der neuen US-Nuklearstrategie angekündigt wurden und die einen Atomkrieg begrenzt führbar machen könnten. Das Pentagon argumentiert, die Sicherheit würde steigen, wenn man befürchten müsse, dass nukleare Atomschläge durchführbar wären. Ich frage die Bundesregierung, ob sie diese US-Strategie allen Ernstes für einen Beitrag zu mehr Sicherheit in Europa hält. Wir erwarten – und wir begrüßen die Aussagen von Herrn Mützenich dazu – von der künftigen Bundesregierung, dass sie deutlich sagt, dass keine neuen landgestützten Atomwaffen in Deutschland stationiert werden.
(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Europa darf nicht zum atomaren Schlachtfeld werden. Stattdessen muss sich die Bundesregierung endlich für den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland starkmachen – ich möchte daran erinnern: wir haben einen Beschluss des Bundestages von 2010 dazu – und die nukleare Teilhabe im Rahmen der NATO aufkündigen.
(Beifall bei der LINKEN)

Die gestrige Vorstellung von Präsident Putins neuen strategischen Nuklear- und Interkontinentalraketen ist Ausdruck einer besorgniserregenden neuen Rüstungsspirale. Ja, der INF-Vertrag ist gefährdet. Und ja, wir brauchen mehr Transparenz, wie sie auch in den Anträgen gefordert wird. Das geht an Russland, aber es geht vor allem auch an die NATO; denn es müssen auch die russischen Sicherheitsinteressen diskutiert werden, wenn man gegenseitiges Vertrauen herstellen und Abrüstung erreichen will.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Der atomare Raketenschild der NATO und die seegestützten Raketenabwehrsysteme der USA, die es möglich machen könnten, Russland anzugreifen, widersprechen dem INF-Vertrag. Wir fordern, dass dieser atomare Raketenschild der NATO zurückgenommen, aufgekündigt wird.
(Beifall bei der LINKEN)

Wir müssen jetzt beginnen, und da können wir nur von der Ostpolitik Willy Brandts lernen. Wir müssen in neue vertrauensbildende Maßnahmen einsteigen: diplomatisch, wirtschaftlich und im Bereich der Rüstungskontrolle. Transparenz ist gefordert, das Aufeinander-Zugehen. Dazu müssen auch die Sanktionen gegen Russland beendet werden; sie sind kein Schritt auf dem Weg zu mehr Vertrauen. Wir müssen auf kultureller und wissenschaftlicher Ebene endlich den Aufbruch für ein „gemeinsames Haus Europa“ wagen. Dazu gehört Russland, und nur gemeinsam mit Russland ist Frieden in Europa möglich.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der AfD)

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