Fragestunde: Notwendigkeit, dem ehem. ecuadorianischen Vizepräsidenten Jorge Glas angesichts seiner deutschen Staatsangehörigkeit Beistand zu leisten?

Vizepräsidentin Petra Pau:
Dann rufe ich die Frage 32 der Abgeordneten Heike Hänsel auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung unter humanitären und menschenrechtlichen Gesichtspunkten die Verlegung des ehemaligen ecuadorianischen Vizepräsidenten und deutschen Staatsbürgers Jorge Glas in ein Gefängnis rund 70 Kilometer außerhalb der Hauptstadt Quito, und sieht sie die Notwendigkeit, Jorge Glas angesichts seiner deutschen Staatsangehörigkeit Beistand zu leisten (https://amerika21.de/2018/11/218175/ecuador-ex-vizepraesident-hungerstreik)?
Bitte, Herr Staatsminister.

Niels Annen, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Frau Kollegin, ich darf diese Frage wie folgt beantworten: Der Haftfall des ehemaligen ecuadorianischen Vizepräsidenten Jorge Glas ist der Bundesregierung bekannt. Herr Glas besitzt sowohl die deutsche als auch die ecuadorianische Staatsangehörigkeit. Die deutsche Botschaft in Quito hat die Verlegung von Herrn Glas in das Gefängnis Latacunga bei hochrangigen Gesprächen mit der ecuadorianischen Seite thematisiert. Die ecuadorianische Seite beruft sich auf die ecuadorianische Staatsangehörigkeit von Herrn Glas und hat mitgeteilt, dass Herr Glas nicht schlechter als andere Inhaftierte behandelt würde. Im Gegenteil werde er bevorzugt behandelt, seine medizinische Versorgung sei gewährleistet. Soweit die Auskunft. Die deutsche Botschaft bemüht sich, Herrn Glas in der Haft besuchen und konsularisch betreuen zu können. Die konsularische Betreuung von Herrn Glas wurde am 13. November 2018 beantragt. Der Wunsch des Haftbesuchs muss jedoch von der ecuadorianischen Seite genehmigt werden. Weil Herr Glas, wie eben ausgeführt, auch ecuadorianischer Staatsangehöriger ist, besteht darauf leider kein Anspruch. Die Botschaft ist außerdem mit der Ehefrau und der Schwester von Herrn Glas in Kontakt.

Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Heike Hänsel (DIE LINKE):
Danke. – Die Situation von Jorge Glas, dem ehemaligen Vizepräsidenten Ecuadors, ist wirklich dramatisch. Soviel ich weiß, hat er jetzt aber seinen Hungerstreik nach 52 Tagen in einem hochkritischen, lebensgefährlichen Zustand abgebrochen. Dazu gibt es ja ein medizinisches Gutachten vom ecuadorianischen Gesundheitsministerium. Wie bewerten Sie denn eigentlich den Umgang mit Jorge Glas, der deutscher Staatsbürger und übrigens auch Enkel jüdischer Flüchtlinge aus Deutschland ist? Wie bewerten Sie aus humanitären Gründen und menschenrechtlichen Aspekten, dass man ihn ohne Angabe von Gründen in diesen Hochsicherheitstrakt verlegt hat? Wie bewerten Sie diesen Vorgang vonseiten der ecuadorianischen Justiz?

Niels Annen, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Frau Kollegin, ich glaube, wir müssen darauf hinweisen: Aus den genannten Gründen, wegen der doppelten Staatsangehörigkeit, haben wir rechtlich wenig Möglichkeiten – Sie kennen diese Problematik auch aus anderen Fällen –, konsularisch entsprechend tätig werden zu
können. Wir bemühen uns weiterhin darum. Ecuador ist in der Situation, dass es eine politische Auseinandersetzung gibt. Diese haben wir hier aber im Moment nicht zu bewerten. Rechtsgrundlage ist, dass es eine unabhängige ecuadorianische Justiz gibt. Da ich bei der Vorbereitung auf Ihre Frage extra noch einmal nachgefragt habe, kann ich Ihnen sagen: Nach Informationen der Botschaft hat Herr Glas Zugang zu Medikamenten und zu ärztlicher Betreuung. Er hat Beschwerden geäußert, insbesondere bezüglich der Qualität des Trinkwassers. Das ist nach unserer Kenntnis extra noch einmal geprüft worden. Ich kann Ihnen aber gleichzeitig versichern, dass wir diesen Fall, nicht nur weil es sich um einen prominenten Fall handelt, sondern weil das die Aufgabe unserer Auslandsvertretungen in solchen Haft- und Konsularfragen generell ist, weiterverfolgen und auch weiter hochrangig ansprechen werden. Wir werden uns für das Wohlbefinden und die Rechte unseres Staatsbürgers Herrn Glas weiter einsetzen.

Heike Hänsel (DIE LINKE):
Dann habe ich eine zweite Nachfrage. – Das Thema „Ecuador und die dortige politische Situation“ wird uns sicherlich weiterhin beschäftigen. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass es dort im Moment nicht einmal ein Verfassungsgericht gibt. Das ist von der Regierung außer Kraft gesetzt worden. Richter sollen irgendwann benannt werden. Währenddessen werden sehr viele zweifelhafte Gesetze erlassen. Wir sehen also schon, dass der Rechtsstaat in Ecuador teilweise nicht mehr existiert. Ich habe jetzt noch eine Nachfrage bezüglich des Falls „Jorge Glas“. Wann sind die deutschen Vertretungen in Genf und Quito denn überhaupt unterrichtet worden, dass Herr Glas um Gespräche gebeten hat? Und wie gehen Sie damit um, dass solche Gespräche oder Treffen mit Nachdruck eingefordert werden?

Niels Annen, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Frau Kollegin, ich glaube, man muss da einige Dinge auseinanderhalten. Es gibt, wie Sie ja selber wissen, in der Regierungspartei des Präsidenten Moreno und seines Vorgängers, die zur selben Allianz gehört haben, eine Auseinandersetzung. Diese Auseinandersetzung verfolgen wir über die Medien und auch über unsere Botschaft mit. Wir nehmen dazu aber keine Stellung; das ist auch nicht unsere Aufgabe. Ich glaube, man kann sagen, dass wir einige Entwicklungen aus den genannten Gründen sehr genau verfolgen müssen. Der andere Fall ist schlicht und ergreifend ein Konsularfall. Wir bemühen uns in dem Fall von Herrn Glas genauso wie in anderen Fällen, beispielsweise bei Doppelstaatlerinnen oder Doppelstaatlern in der Türkei oder in anderen Ländern, wo wir mit derselben Situation konfrontiert sind, dass uns der entsprechende Staat die Auskunft erteilt, dass die weiter existierende deutsche Staatsbürgerschaft von ihnen nicht akzeptiert oder respektiert wird, weil es sich um eine ihrer Staatsbürgerinnen oder einen ihrer Staatsbürger handelt. Das ist sozusagen die Ausgangssituation. Die grundsätzlich guten Beziehungen zwischen Deutschland und Ecuador nutzen wir, um diese Situation über die Ebene unserer Vertretung, aber auch hochrangig, dort, wo es politische Kontakte gibt, anzusprechen. Aus unserer Sicht ist aber eine von deutscher Seite vorgenommene Politisierung dieses Falles auch nicht im Interesse des Häftlings.

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