Freiheit für Julian Assange – Keine Auslieferung an die USA

Gemeinsame Erklärung der Abgeordneten des Deutschen Bundestages und des Europäischen Parlaments Sevim Dagdelen, Heike Hänsel und Ana Miranda zur Verhaftung des Wikileaks-Gründers Julian Assange vor dem Gefängnis HMP Belmarsh in London:

Wir, die Abgeordneten des Deutschen Bundestages und des Europäischen Parlaments, hatten für letzten Donnerstag und diesen Montag einen Besuch bei Julian Assange geplant, der von der ecuadorianischen Botschaft genehmigt und bestätigt wurde. Julian Assange wurde kurz vor unserem Besuch verhaftet.

Deshalb sind wir heute hier vor dem Gefängnis, um gegen die Verhaftung von Julian Assange zu protestieren.

Wir verurteilen auf das Schärfste das Verhalten der ecuadorianischen Regierung in der vergangenen Woche, das einen eklatanten Verstoß gegen das Völkerrecht darstellt, indem Assange der Asylstatus aberkannt und ihm seine ecuadorianische Staatsbürgerschaft entzogen wurde, um seine Verhaftung zu ermöglichen. In der Folge wurde der britischen Polizei Zugang zur Botschaft gewährt, damit sie im Auftrag der US-Behörden die Verhaftung vornimmt. Die USA berufen sich auf das Auslieferungsgesetz, wie die britische Polizei inzwischen bestätigte. Dies schafft einen gefährlichen Präzedenzfall, der de facto den Journalismus, die Pressefreiheit und die Freiheit des Wortes weltweit gefährdet.

Die ecuadorianische Regierung versucht nun, die Aufmerksamkeit von ihrem Rechtsverstoß abzulenken, indem sie eine Schmutz- und Verleumdungskampagne gegen Assange durchführt, um die öffentliche Meinung über Herrn Assange zu vergiften.

Unser oberstes Ziel als Mitglieder des Deutschen Bundestages und des Europäischen Parlaments ist es nun, die Auslieferung von Julian Assange an die USA zu verhindern. Dies ist eine Verpflichtung aller anständigen Demokraten der EU-Mitgliedstaaten, die internationale Übereinkommen einschließlich der Genfer Flüchtlingskonvention, des UN-Paktes über bürgerliche und politische Rechte sowie der Charta der Grundrechte der Europäischen Union unterzeichnet haben, die die Anwendung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe verbietet.

Nils Melzer, der UN-Sonderberichterstatter über Folter, hat kürzlich erklärt, dass sich die Gesundheit von Herrn Assange „schwerwiegend verschlechtert“ hat. Würde er an die Vereinigten Staaten ausgeliefert, „könnte eine solches Vorgehen ihn einem realen Risiko schwerer Verletzungen seiner Menschenrechte aussetzen, einschließlich seiner Meinungsfreiheit, seines Rechts auf ein faires Verfahren und des Verbots grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe“.

Das Vereinigte Königreich hat wiederholt darauf hingewiesen, dass die Angst von Herrn Assange, an die USA ausgeliefert zu werden, unbegründet sei. Jetzt wissen wir, dass es das nicht war.

Wir stehen humanitär in der Pflicht, da sich Assange nun in britischem Gewahrsam befindet und ein Auslieferungsersuchen der USA vorliegt, zumal hochrangige Vertreter der US-Regierung – darunter Präsident Donald Trump – den Publizisten mit dem Tode bedroht haben.

Auch die Auslieferung an Schweden sollte vermieden werden, denn auch dort kann eine Überstellung in die USA nicht ausgeschlossen werden. Deshalb wurde Assange ursprünglich Asyl gewährt.

Wir stellen fest, dass die jetzt veröffentlichte Anklage der US-Justiz gegen Julian Assange keine gerichtsfesten Beweise enthält und offensichtlich konstruiert ist. Das US-Justizministerium zielt mit seiner Jagd auf Assange zugleich auf die normale journalistische Praxis und den hochsensiblen Bereich des journalistischen Quellenschutzes. Assange wird beschuldigt, Chelsea Manning dabei geholfen zu haben, ein Passwort zu knacken.

Die Verfolgung von Herrn Assange schafft einen gefährlichen Präzedenzfall, durch den Journalisten aus aller Welt, einschließlich EU-Bürger, an die USA ausgeliefert werden könnten, wenn die Berichterstattung als ein Risiko für die nationale Sicherheit der USA interpretiert wird. Dies droht, den Journalismus weltweit zu kriminalisieren.

Assange soll dafür bestraft werden, dass er Tausende von Regierungsdokumenten veröffentlicht und schwere Kriegsverbrechen der USA aufgedeckt hat. Die Anklage kommt einem Rachefeldzug gleich und soll Nachahmer abschrecken. Dabei gilt weiterhin: Nicht die Offenlegung von Kriegsverbrechen muss bestraft werden, sondern diejenigen, die für diese Kriegsverbrechen verantwortlich sind, müssen vor Gericht gestellt werden. Anklagen nach dem Spionagegesetz können nicht mehr verworfen werden, wenn ein Angeklagter einmal an die USA ausgeliefert ist.

Wir betonen, dass das Vorgehen der USA, von Großbritannien und Ecuador alle Kriterien eines gemeinsam geplanten Angriffs auf Julian Assange und WikiLeaks erfüllt. Dazu gehört, dass Vertreter der drei Staaten das nun offensichtlich geplante und koordinierte Vorgehen kaschiert und öffentlich vorsätzlich die Unwahrheit gesagt haben.

Wir stellen mit großer Sorge fest, dass die USA im Falle von Herrn Assange ihre Strafverfolgung auf europäisches Gebiet und Lateinamerika ausdehnen. Diese extraterritoriale Verfolgung steht im Widerspruch zum Völkerrecht und muss von den europäischen Staaten verurteilt und abgelehnt werden. Dies gilt umso mehr, als Julian Assange in den USA nicht nur wegen Verschwörung, sondern auch auf der Grundlage von Gesetzen zur Bekämpfung der Spionage angeklagt wird, was eine lange Haftstrafe oder sogar die Todesstrafe bedeuten kann.

Anschuldigungen gegen Julian Assange, die von Privatpersonen in einem anderen europäischen Staat erhoben werden, müssen geklärt werden. Wir möchten darauf hinweisen, dass Herr Assange sich stets bereit erklärt hat, mit den schwedischen Behörden zusammenzuarbeiten. Die britischen Behörden haben eine solche Zusammenarbeit zwischen Assange und der schwedischen Justiz bewusst verhindert und später Akten in diesem Fall vernichtet. Wir sind gegen die öffentliche Vorverurteilung von Julian Assange, um ihn als Person zu diskreditieren. Es gilt die Unschuldsvermutung, alles andere steht im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Normen.

Wir stellen uns entschieden gegen die Kriminalisierung von Julian Assange und WikiLeaks. In diesem Zusammenhang bringen wir unsere Besorgnis über das Wohlergehen des schwedischen Staatsangehörigen Ola Bini zum Ausdruck, einem renommierten Kämpfer für Privatsphäre und die Open-Source-Szene, der unmittelbar nach Assanges Inhaftierung in Ecuador Opfer einer willkürlichen Festnahme wurde.

Diese beiden politisch motivierten Verhaftungen verstoßen gegen die Rechtsstaatlichkeit. Weder gegen Bini noch gegen Assange wurden überzeugende Anschuldigungen erhoben. Damit wird ein Präzedenzfall geschaffen, der zeigt, dass auch EU-Bürger gefährdet sein können.

Wir fordern die britische Regierung auf, Julian Assange nicht an die USA auszuliefern. Die Europäische Union muss aktiv werden und sich für den Schutz des politisch verfolgten Whistleblowers Julian Assange einsetzen. Wir fordern die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und Spaniens auf, Julian Assange politisches Asyl zu gewähren und sich in der EU und im Europarat für den Schutz und die Nicht-Auslieferung von Assange einzusetzen.

London, 15. April 2019

Heike Hänsel, MdB, Deutschland

Sevim Dagdelen, MdB, Deutschland

Ana Miranda, MdEP, Spanien

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