Ernährungssouveränität für Zentralamerika statt EU-Billigimporte

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Wir diskutieren zwar heute zu sehr später Stunde über dieses Assoziationsabkommen, aber das ist noch lange kein Grund, daraus eine Märchenstunde zu machen, wie die Bundesregierung es hier betrieben hat.

(Hans-Werner Ehrenberg [FDP]: Sie wiederholen sich! Das haben Sie vorhin schon gesagt!)

Wir haben darauf bestanden, hier über dieses zu schließende Assoziationsabkommen zu debattieren, weil wir die Möglichkeit haben, mit darüber zu entscheiden. Das ist nicht bei vielen Entscheidungen der EU möglich. Dieses Recht müssen wir nutzen. Vor allem haben wir als Parlamentarierinnen und Parlamentarier eine große Verantwortung, weil wir hier auch über die Zukunft von Millionen von Menschen in Zentralamerika entscheiden.

(Beifall bei der LINKEN)

Ähnlich wie bei dem Freihandelsabkommen mit Kolumbien und Peru, über das wir hier auch sehr kontrovers diskutiert haben, gibt es viele Vorbehalte. Denn Freihandel schafft Vorteile für die Industriestaaten, für wirtschaftlich starke Staaten, aber nicht für die Länder des Südens. Deswegen lehnen wir dieses Abkommen ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Es wurde bereits erwähnt, dass es in Zentralamerika Staaten wie Honduras und Guatemala gibt, die zu den gefährlichsten der Welt zählen, in denen es die höchsten Mordraten und massive Menschenrechtsverletzungen bei Landkonflikten gibt. Vor allem in Honduras – auch das wurde schon erwähnt – hat die Zahl der Menschenrechtsverletzungen seit dem Putsch 2009 massiv zugenommen. In diesem Zusammenhang muss ich einen Satz in Richtung FDP sagen: Der Kollege Breil hat vorhin in der Debatte zu den Steinkohlenimporten das Festlegen sozialer und ökologischer Standards als Einmischung in innere Angelegenheiten bezeichnet. Die FDP und die Friedrich-Naumann-Stiftung haben aber kein Problem damit, einen Putsch in Honduras zu unterstützen. Ich frage mich: Was ist denn eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Länder?

(Beifall bei der LINKEN – Widerspruch bei der FDP – Hans-Werner Ehrenberg [FDP]: Der Kollege hat gesagt, Sie sollen nicht lügen!)

Da gibt es einen sehr großen Unterschied. Sie pervertieren wirklich die Ansprüche an die wirtschaftliche Zusammenarbeit.

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Mein Gott, die lügt heute wieder weiter! – Gegenruf der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Kollege, reißen Sie sich zusammen!)

Ich muss dazu sagen: Wir haben ja bereits Erfahrungen mit Freihandel. Zentralamerika hat bereits mit den USA ein Freihandelsabkommen abgeschlossen, CAFTA. Dort konnten wir die Folgen solch eines Freihandelsabkommens sehr genau sehen: Es gibt billige US-Importe im Nahrungsmittelbereich, die regionalen Märkte sind zusammengebrochen, die eigene landwirtschaftliche Produktion auch. Jetzt sind diese Länder abhängig von Nahrungsmittelimporten. Bei steigenden Preisen führt das zu mehr Hunger und zu mehr Armut. Dies ist eine Gefahr für die Ernährungssicherheit. Das können wir als Entwicklungspolitikerinnen und Entwicklungspolitiker nicht verantworten.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was war die Antwort aus dem Wirtschaftsministerium, als wir im Ausschuss darüber diskutiert haben? Die Bevölkerung kann zukünftig nicht nur US-Waren kaufen, sondern auch EU-Waren und EU-Nahrungsmittel.

(Alexander Süßmair [DIE LINKE]: Toll!)

Was ist denn das für eine zynische Logik? Das ist doch keine Problemlösung, sondern verschärft diese Problemlage. Wir müssen die eigene Produktion in diesen Ländern stärken, damit sie zu einer Ernährungssouveränität kommen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das stellt Ihre Argumentation wirklich auf den Kopf.
Wir lehnen es ab, dass in diesem Abkommen Privatisierungen im Wassersektor und im Gesundheitswesen vorgesehen sind, dass die lokale Produktion von Generika erschwert wird und dass die Einführung von Patenten auf Saatgut Bäuerinnen und Bauern dazu zwingen wird, ihr Saatgut bei europäischen Konzernen teuer einzukaufen. All das können Folgen dieses Freihandelsabkommens sein. Deshalb lehnen wir es ab.

Es gibt noch einen weiteren sehr gewichtigen Grund. Es ist völlig verantwortungslos, dass in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise in der Europäischen Union in diesem Abkommen die weitere Liberalisierung von Finanzdienstleistungen festgeschrieben wird. Das trägt die Krise nach Lateinamerika.

(Alexander Süßmair [DIE LINKE]: Unglaublich!)

Deswegen stimmen wir gegen dieses Abkommen.
Ich richte meinen Appell an Rot-Grün. Es hängt jetzt wirklich davon ab, wie im Bundesrat entschieden wird. Ich möchte noch einmal ausdrücklich sagen, dass ich es gut fand, dass die Grünen aus Rheinland-Pfalz gegen das Abkommen mit Kolumbien und Peru gestimmt haben, –

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Frau Kollegin, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

Heike Hänsel (DIE LINKE):

– aber die SPD hat dies leider nicht getan. Deswegen lautet mein Appell: Rot-Rot-Grün muss im Bundesrat beide Abkommen verhindern.
Danke.

(Beifall bei der LINKEN – Bijan Djir-Sarai [FDP]: Rot-Rot-Grün! Im Geiste vereint!)

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