{"id":15509,"date":"2020-08-25T13:18:24","date_gmt":"2020-08-25T11:18:24","guid":{"rendered":"http:\/\/www.heike-haensel.de\/?p=15509"},"modified":"2020-08-31T15:39:19","modified_gmt":"2020-08-31T13:39:19","slug":"tagblatt-sommerinterview-mit-heike-haensel","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/www.heike-haensel.de\/2020\/08\/25\/tagblatt-sommerinterview-mit-heike-haensel\/","title":{"rendered":"Tagblatt Sommerinterview mit Heike H\u00e4nsel"},"content":{"rendered":"\n

Das Sommerinterview des Schw\u00e4bischen Tagblatts ist zuerst dort erschienen und kann unter: https:\/\/www.tagblatt.de\/Nachrichten\/Heike-Haensel-Der-Mensch-muss-in-den-Mittelpunkt-469005.html<\/a> abgerufen werden.<\/p>\n\n\n\n

Heike H\u00e4nsel: Der Mensch muss in den Mittelpunkt<\/strong><\/h2>\n\n\n\n

Eine Daseinsvorsorge f\u00fcr die Gemeinschaft ist f\u00fcr die T\u00fcbinger Linken-Bundestagsabgeordnete Heike H\u00e4nsel die wichtigste nationale Konsequenz aus der internationalen Krise. \u00dcber die Weltlage macht sie sich Sorgen. 24.08.2020<\/p>\n\n\n\n

Von Lorenzo Zimmer<\/p>\n\n\n\n

In den Lobgesang vieler Politiker dar\u00fcber, wie gut Deutschland durch die Coronakrise gekommen sei, will die T\u00fcbinger Bundestagsabgeordnete der Linken, Heike H\u00e4nsel, beim Sommerinterview mit dem TAGBLATT nicht einstimmen. Im Gegenteil, die Oppositionspolitikerin empfindet gesellschaftliche Probleme durch das Brennglas Corona als vergr\u00f6\u00dfert \u2013 oder zumindest als offenkundiger geworden: \u201eJetzt wird so getan, als w\u00e4re alles super gelaufen.\u201c Doch gerade das Gesundheitssystem habe Missst\u00e4nde offenbart: \u201eUnterversorgung und Pflegenotstand einerseits und \u00dcberversorgung andererseits, etwa mit teuren technologischen Angeboten f\u00fcr Privatversicherte.\u201c Ein \u201eechter Skandal\u201c seien die Bedingungen f\u00fcr Besch\u00e4ftigte in Kliniken, Praxen und Pflegediensten gewesen: \u201eViele Angestellte haben sich infiziert. Und bis heute haben die wenigsten den versprochenen Corona-Bonus wirklich erhalten.\u201c<\/p>\n\n\n\n

Aufgrund von Infektionen habe es auch K\u00fcndigungen gegeben: \u201eSchutzausr\u00fcstung hat gefehlt, Masken mussten mehrfach verwendet werden.\u201c Die Verteilungsmechanismen des Marktes haben in der Krise versagt, so H\u00e4nsel. \u201eEs wurden Landkreise aktiv und haben selbst den Markt ger\u00e4ubert.\u201c Und nicht nur im Kleinen sei die Verteilung von wichtigen G\u00fctern in der Pandemie gescheitert. \u201eDas war eine Blamage f\u00fcr die Europ\u00e4ische Union.\u201c H\u00e4nsel erkennt \u201ekeine gemeinsame Initiative, sich gegenseitig zu unterst\u00fctzen\u201c \u2013 etwas, das sie auch weltweit vermisst: \u201eMan h\u00e4tte aus den Raubz\u00fcgen f\u00fcr Masken, Handschuhe und Schutzkleidung von Anfang an eine weltweite, gemeinsame Anstrengung machen m\u00fcssen.\u201c Letztendlich habe die Coronakrise \u201eeines erneut offenbart: Das Prinzip Marktwirtschaft dominiert das Gesundheitswesen, hat dort aber nichts verloren\u201c.<\/p>\n\n\n\n

Auch das Zeugnis f\u00fcr die politische F\u00fchrung in der Pandemie f\u00e4llt seitens der stellvertretenden Vorsitzenden der Linksfraktion im Bundestag nicht gut aus: \u201eJens Spahn wollte den Macher darstellen, aber hat nicht das wirklich Notwendige gemacht.\u201c Offenkundige Probleme seien nicht behandelt, die Gefahr der Pandemie zu lange runtergespielt worden. H\u00e4nsel sieht Vers\u00e4umnisse \u00fcber Jahre. \u201eKeine Masken. Keine Pandemiepl\u00e4ne f\u00fcr \u00f6ffentliche Einrichtungen. Sie waren pl\u00f6tzlich auf sich gestellt.\u201c Die gesetzliche Grundlage daf\u00fcr gebe es seit 2012. \u201eDas ist verschlafen worden. Nicht nur von Jens Spahn.\u201c<\/p>\n\n\n\n

Als \u201eLockdown-King\u201c erlebte Heike H\u00e4nsel, diplomierte \u00d6kotrophologin und seit 2005 Mitglied der damaligen Linkspartei.PDS, den bayerischen Ministerpr\u00e4sidenten Markus S\u00f6der. Sie kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen: \u201eEs ist schon wichtig, Entscheidungen zu treffen, und es war richtig, das Leben zur\u00fcckzufahren. Aber ich finde den Anspruch, den starken Mann zu markieren, unangebracht.\u201c Profilierungen f\u00fcr Kanzlerkandidaturen aus einer solchen Situation ableiten zu wollen, sei unanst\u00e4ndig.<\/p>\n\n\n\n

Lehren aus der Krise seien in weiten Teilen die alten Mahnungen ihrer Partei, so H\u00e4nsel. Sie fordert einen \u201estarken Staat der gut finanzierten staatlichen Institutionen\u201c. Eine staatlich finanzierte Daseinsvorsorge zum Beispiel \u2013 \u201edas sind die Schlussfolgerungen, die gezogen werden m\u00fcssen\u201c. Marktwirtschaft und Profitlogik m\u00fcsse aus den Krankenh\u00e4usern verbannt werden. Dies k\u00f6nne so weit gehen, Krankenhauskonzerne zu enteignen und in die \u00f6ffentliche Hand zu \u00fcberf\u00fchren, um \u201evon vornherein falsche Privatisierungen\u201c r\u00fcckg\u00e4ngig zu machen.<\/p>\n\n\n\n

Im Mittelpunkt vieler Entscheidungen sieht H\u00e4nsel macht- und parteipolitische \u00dcberlegungen. Etwas, das sie nicht abkann. \u201eWenn man nach bestem Gewissen Entscheidungen treffen will, sollte das nicht von solchen \u00dcberlegungen \u00fcberlagert werden.\u201c Um die Sache gehe es ihr viel zu selten: \u201eDer Mensch steht nicht mehr im Mittelpunkt.\u201c Ist der Verdruss so gro\u00df, dass die 54-J\u00e4hrige in der kommenden Legislatur nicht mehr als T\u00fcbinger Bundestagsabgeordnete ihrer Partei anzutreten gedenkt? \u201eDas werde ich noch bekannt geben.\u201c An Verdruss gegen\u00fcber der Arbeit in der Politik w\u00fcrde es aber nicht liegen, stellt sie klar. Waren so viele Amtszeiten geplant? H\u00e4nsel lacht. \u201eDa versch\u00e4tzen sich viele. Selbst Gregor Gysi wurde ja nochmal f\u00fcr eine aktive Position gewonnen.\u201cTAGBLATT-Sommerinterview: Heike H\u00e4nsel<\/p>\n\n\n\n

Wenn sie erneut antrete, dann weiterhin mit ganzem Herzen \u2013 und ganzer Aufmerksamkeit: \u201eWenn ich es nochmal mache, dann mache ich nur das.\u201c Es gebe viele, die nebenher noch \u201eVorstand, Landessprecher und so weiter\u201c sind. H\u00e4nsel nutze lieber ihr Bundestagsmandat f\u00fcr Initiativen und politische Aktivit\u00e4ten: \u201eIch habe viel Solidarit\u00e4tsarbeit f\u00fcr Lateinamerika gemacht. Ich begleite zur Zeit den Prozess von Julian Assange und unterst\u00fctze Projekte f\u00fcr Fl\u00fcchtlinge auf Lesbos.\u201c<\/p>\n\n\n\n

Bleibt sie im Amt, w\u00fcrde sich H\u00e4nsel weiterhin darum bem\u00fchen, altbew\u00e4hrte Gedanken in den Fokus ihrer politischen Arbeit zu legen: \u201eDie Friedensfrage versch\u00e4rft sich zunehmend.\u201c So sei eine atomare Aufr\u00fcstungsspirale als Antwort auf tats\u00e4chliche globale Herausforderungen eine ernste Bedrohung. \u201eDie Pandemiepl\u00e4ne sind inexistent, der Klimaschutz funktioniert nicht, die Armutsbek\u00e4mpfung misslingt.\u201c Die soziale Spaltung werde in Deutschland, Europa und der Welt zunehmen: \u201eDa ist doch Geld f\u00fcr Aufr\u00fcstung die falsche Antwort!\u201c W\u00e4hrenddessen werde Deutschland als Drehscheibe der USA f\u00fcr v\u00f6lkerrechtswidrige Drohnenfl\u00fcge eingesetzt. Zeit, f\u00fcr eine europ\u00e4ische Armee \u2013 auch, um von den USA unabh\u00e4ngiger zu werden? \u201eEs geht nicht darum die US-Soldaten durch europ\u00e4ische Soldaten zu ersetzen. Das ist viel zu verk\u00fcrzt gedacht.\u201c Es gehe ihr vielmehr darum, Konflikte generell anders zu l\u00f6sen. Ein Anspruch nicht nur an Deutschland, die USA und die Mitglieder der Nato-Staaten, sondern an alle L\u00e4nder: \u201ean Russland, an China, alle.\u201c Die Nato ist f\u00fcr H\u00e4nsel ein Relikt des Kalten Kriegs, zum weltweiten Kriegsb\u00fcndnis verkommen: \u201eWir brauchen dringend eine andere Sicherheitsarchitektur in Europa, daf\u00fcr setzen wir uns ein.\u201c Eine Bedrohungslage, auf die eine starke Bundeswehr oder gar eine EU-Armee die Antwort w\u00e4re, sieht H\u00e4nsel ohnehin nicht gegeben \u2013 die einzige Aufgabe der Bundeswehr sei Landesverteidigung: \u201eWer bedroht Deutschland denn? Und wer will Deutschland angreifen?\u201c Auf Ressourcenkriege und die Weltlage mit Aufr\u00fcstung zu reagieren, sei \u201efalsch\u201c.<\/p>\n\n\n\n

Die Arbeit in ihrer Fraktion sch\u00e4tzt H\u00e4nsel. Sie befinde sich in wichtigen und sehr diskussionsreichen Prozessen um gro\u00dfe Fragen, berichtet sie. Zum Ende des vergangenen Jahres wurde Dietmar Bartsch an der Fraktionsspitze best\u00e4tigt und erhielt eine neue Vertreterin an seine Seite: Amira Mohamed Ali. H\u00e4nsel: \u201eEs ging auch bei den Diskussionen zwischen Fraktion und Partei darum, wohin wir als Linke wollen.\u201c Die alte Spitze aus Bartsch und Wagenknecht sei stark gepr\u00e4gt von der Erfahrung der Agenda 2010 angetreten, den Kampf f\u00fcr die Abgeh\u00e4ngten im Sinn: \u201eUnd bei dieser Schicht haben wir mittlerweile W\u00e4hler verloren.\u201c H\u00e4nsel setzte sich auch in innerparteilichen Diskussionen daf\u00fcr ein, diese Unterst\u00fctzer nicht aufzugeben und trotzdem neue Milieus f\u00fcr die Partei zu gewinnen: \u201eWir haben viele junge Aktive aus den St\u00e4dten und den Bewegungen.\u201c Es sei der Partei bisher aber nicht ausreichend gelungen, die Bem\u00fchungen um die klassischen Arbeiter-Milieus der Linken und um die jungen Aktivisten unter einen Hut zu bringen. \u201eLetztendlich wurde aus dieser Debatte eine Machtfrage, die sich durch den gesundheitlich begr\u00fcndeten Weggang von Sarah Wagenknecht relativiert hat.\u201c<\/p>\n\n\n\n

Die Spannungen seien nun kleiner: \u201eAber beim Parteitag m\u00fcssen wir darauf Antworten finden.\u201c Im Bundesvorstand hat sie nun einen Vertrauten, ihren alten Weggef\u00e4hrten Tobias Pfl\u00fcger \u2013 ehemals T\u00fcbinger, nun in Freiburg t\u00e4tig. \u201eEs steht auch die Wahl f\u00fcr den Parteivorsitz an, aber bis jetzt ist noch nicht bekannt, ob Katja Kipping und Bernd Riexinger weitermachen.\u201c In die Partei hinein will H\u00e4nsel weiterhin Klartext sprechen: \u201eEs war aber nie mein Stil, mich zu einzelnen Personen \u00f6ffentlich zu \u00e4ussern.\u201c<\/p>\n\n\n\n

Mit dem Blick auf die Weltlage<\/h4>\n\n\n\n

Im Bundestag<\/strong> ist Heike H\u00e4nsel entwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion. Sie gilt als Kapitalismuskritikerin, engagiert sich bei Attac und ist seit 1988 in der Friedensbewegung aktiv. Um die Jahrtausendwende beobachtete sie Wahlen im Kosovo und der Herzegowina. Ihr wurde vorgeworfen, im Syrienkonflikt an der Seite des Machthabers Assad zu stehen, damals kritisierte sie Sanktionen gegen Syrien und zog damit Unmut auf sich. Mittlerweile kritisiere \u201eauch die UN diese Sanktionen\u201c. Gegen\u00fcber Venezuelas Nicolas Maduro hatte sie Sympathien bekundet – und war daf\u00fcr etwa vom T\u00fcbinger SPD-Bundestagsabgeordneten Martin Rosemann kritisiert worden. H\u00e4nsel stellt klar: \u201eIch komme aus der Basis und habe sicher keine Sympathien f\u00fcr Herrscher.\u201c In der Frage von Venezuela gehe es um die Souver\u00e4nit\u00e4t des Landes und den Umgang mit V\u00f6lkerrecht. \u201eEs d\u00fcrfen nicht andere L\u00e4nder bestimmen, wer in einem Land regiert. Regime-Change-Politik lehne ich ab.\u201c Die Folgen solchen Verhaltens lie\u00dfen sich etwa auf der Krim beobachten \u201eDer Westen kritisiert die Einflussnahme von Russland und belegt Moskau mit massiven Sanktionen wegen der Krim. Und zwar auch auf EU-Ebene.\u201c Gleichzeitig betreibe die T\u00fcrkei Annexionen der kurdischen Gebieten in Syrien: \u201eUnd die kriegen daf\u00fcr noch Waffen aus Deutschland?\u201c Gegen diese Doppelstandards habe sie sich oft eingesetzt: \u201eUnd ich wurde oft missinterpretiert.\u201c<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

Das Sommerinterview des Schw\u00e4bischen Tagblatts ist zuerst dort erschienen und kann unter: https:\/\/www.tagblatt.de\/Nachrichten\/Heike-Haensel-Der-Mensch-muss-in-den-Mittelpunkt-469005.html abgerufen werden. Heike H\u00e4nsel: Der Mensch muss in den Mittelpunkt Eine Daseinsvorsorge f\u00fcr die Gemeinschaft ist f\u00fcr die T\u00fcbinger Linken-Bundestagsabgeordnete Heike H\u00e4nsel die wichtigste nationale Konsequenz aus der internationalen Krise. \u00dcber die<\/p>\n","protected":false},"author":3,"featured_media":0,"comment_status":"closed","ping_status":"closed","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":{"ngg_post_thumbnail":0},"categories":[7,3],"tags":[],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/www.heike-haensel.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/15509"}],"collection":[{"href":"https:\/\/www.heike-haensel.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/www.heike-haensel.de\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.heike-haensel.de\/wp-json\/wp\/v2\/users\/3"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.heike-haensel.de\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=15509"}],"version-history":[{"count":4,"href":"https:\/\/www.heike-haensel.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/15509\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":15524,"href":"https:\/\/www.heike-haensel.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/15509\/revisions\/15524"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/www.heike-haensel.de\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=15509"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.heike-haensel.de\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=15509"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.heike-haensel.de\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=15509"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}