Droht ein Putsch in Peru?

Rund 45.000 Stimmen mehr als seine Konkurrentin Keiko Fujimori hat der linke Kandidat Pedro Castillo bei der Stichwahl um die Präsidentschaft in Peru am 6. Juni erhalten. Der Jubel bei den linken und progressiven Kräften war groß, nicht nur in Peru und Lateinamerika. Jedoch steht die offizielle Bestätigung des Ergebnisses noch immer aus. Der Oberste Wahlgerichtshof überprüft insbesondere auf Drängen der Rechten praktisch täglich Wahlakte und –protokolle und lehnt Anträge auf Annullierung ab. Die Rechte versucht Einfluss zu nehmen, Wahlrichter unter Druck zu setzen, engagiert teure Anwälte und initiiert mithilfe von Militärs und Vertrauten von Keiko und ihrem Vater, dem früheren berüchtigten Diktator Alberto Fujimori, einen schleichenden Putsch. Die internationale Gemeinschaft und insbesondere die internationale Linke müssen wachsam bleiben und hinter dem Wahlsieg von Castillo stehen. Denn bis heute gibt es keinerlei Hinweise auf entscheidende Wahlmanipulation. Auch Wahlbeobachter der EU oder die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) äußerten keine Sorge, dass Castillo nicht rechtmäßig gewählter neuer Präsident von Peru sei. Selbst das US-Außenministerium sah „freie und gerechte“ Wahlen.

Pedro Castillo: »Keine Armen mehr in einem reichen Land!«

Eine Präsidentschaft von Castillo wäre für die peruanische Bevölkerung und die lateinamerikanische Linke ein wichtiges Signal. Nach Jahrzehnten neoliberaler, teils diktatorischer Politik, besteht die Hoffnung, dass es zu einem deutlichen Politikwechsel in Peru kommen wird, der die Stärkung der marginalisierten Bevölkerungsschichten sowie die Bekämpfung von Armut in den Mittelpunkt stellt.

Castillo ist von Beruf Grundschullehrer. Er erlangte landesweit erste größere Bekanntheit als eine der Führungsfiguren des nationalen Lehrer-Streiks im Jahr 2017. Dabei war Castillo eigentlich nicht für die Kandidatur eingeplant. In Umfragen lag er zunächst abgeschlagen zurück, gewann überraschend die erste Runde der Wahlen und bekam auch in der zweiten Runde die meisten Stimmen. Es war eine Wahl konträrer Positionen: der linke, von Medien gerne auch als „marxistisch-leninistisch“ beschriebene Castillo gegen die rechte Fujimori, Wunschkandidatin des peruanischen und internationalen Kapitals.

Der Sieg von Castillo geht vor allem auf den Rückhalt in der armen Andenregion zurück. Dort stimmten bis zu 85 Prozent der WählerInnen für ihn. In der Küstenregion und allen voran der Hauptstadt Lima lag hingegen seine Konkurrentin Keiko Fujimori deutlich vorne.

Staat soll regulieren

Castillo ist angetreten, um das ökonomische Modell des Landes grundlegend zu reformieren. Der Staat soll in Zukunft seine regulierende Rolle im Rahmen eines „gemischtwirtschaftlichen Ansatzes“ ausbauen. Den Bergbau und die in Peru aktiven multinationalen Großkonzerne will Castillo stark regulieren. Über eine Verfassungsänderung sollen diese bis zu 70 Prozent ihrer Gewinne an den peruanischen Staat abführen. Außerdem will Castillo den einheimischen Markt und deren Produzenten schützen. Wenn peruanische Unternehmen in der Lage sind, die Produkte selbst herzustellen, sollen Importe ausgeschlossen werden. Auf dem Feld der Gesundheitspolitik Gesundheitspolitisch möchte Castillo 5.000 sogenannte „Familien-Gesundheitsteams“ bilden, um Haushalte und Nachbarschaften zu erreichen, die bisher keinen Zugang zu Gesundheitsversorgung hatten. Auch die Investitionen in den Bildungssektor sollen deutlich aufgestockt werden.

Castillo plant eine „zweite Agrarreform“. Dabei soll die Zusammenarbeit mit den Regionalregierungen und Gemeinden ausgebaut werden, um die Monopolisierung von Land durch wenige reiche Familien zu revidieren. Verfügbarkeit von und Zugang zu Land für kleine und mittlere Landwirtschaftsunternehmen, also auch Kleinbauern, soll gefördert werden. In der Steuerpolitik möchte Castillo einen „gerechten Beitrag von Unternehmen mit Gewinnüberschüssen“.

Neoliberale Agenda überwinden

Außenpolitisch ist von Castillo eine Stärkung des progressiven Lagers in Lateinamerika zu erwarten und eine Widersetzung der von den USA angeführten Regime-Change-Politik, die die Vorgängerregierungen noch aktiv unterstützt hatten. Seine Partei Perú Libre forderte vor der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen eine strikte Abkehr von den USA sowie ein „antiimperialistisches Lateinamerika“. So sollen unter anderem USAID und die Weltbank des Landes verwiesen werden. „Die Neoliberalen“ seien „Feinde der regionalen Integration und der Entwicklung der Völker“. Castillo strebt die Gründung einer „Bank des Südens“ und eines „Fonds des Süden“ als Gegenstück zu Weltbank und IWF an.

Ein wichtiger Punkt des Programms von Castillo ist das Bestreben, ein verfassungsgebendes Referendum abzuhalten. Dabei soll, ähnlich wie in Chile, die Verfassung, die aus dem Jahr 1994 und damit aus der Zeit der Fujimori-Diktatur stammt, abgeschafft werden. Diese ist stark von einer neoliberalen Agenda geprägt. In einer möglichen neuen Verfassung sollen die Rechte auf Gesundheit und Bildung, Nahrung, Wohnung und Zugang zum Internet ausdrücklich anerkannt und garantiert werden, genauso wie die plurinationale Identität Perus. Die Europäische Linke sollte Castillo bei der Umsetzung seiner politischen Agenda unterstützen, gerade auch im Kampf gegen europäische Konzerninteressen in Peru und in Bezug auf das Verhältnis zur EU und die bisher neoliberal ausgerichteten Handelsbeziehungen.

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